Es gibt vermutlich nicht viele Bücher, welche mitten in der Geschichte aufhören. Auch die Filme zielen klar auf ein Ende zu. Wir lieben Happyends.
Dem gegenüber steht: es gibt keinen Weg zum Glück, Glück ist der Weg (wird Buddha zugeschrieben).
Wir lernen, dass wir dauernd unterwegs sind, und dass dies genügt. Dass uns das Leben in jedem Moment etwas zeigen will. Wenn wir uns dem öffnen, wenn wir uns verbinden, wird es gerade jetzt zum Einzigen zum Magischen des Augenblicks
Der trügerische Blick nach dem Sinn, dem Erfolg, eben dem Glück, lässt uns für die vielen kleinen Glücke unaufmerksam werden. Und meistens ist da eine Vorstellung, wie das Ziel aussehen soll. Die Enttäuschung ist programmiert.
Tönt das nicht wunderbar? So einfach? So wahr?
Von meinem Cousin habe ich diesen Tramper Spruch erfahren: "Hinter der nächsten Kurve ist es schöner".
Gilt das nicht ein wenig für uns alle: diese nicht zu erfüllende Sehnsucht, der wir immer wieder anheim fallen? Ich kenne dieses Thema der Zukunftshoffnung in Form der Langeweile. Schon als Kind hatte ich oft Langeweile. Vor allem in der Schule. Oder beim Aufgaben machen. Aber ich kenne dieses Gefühl auch heute noch: Wenn etwas danach riecht, als würde ich wissen, wie es weitergeht, kommt sie ziemlich schnell, die Langeweile.
Und Langeweile, wie auch der Tramper Spruch, ist Ausdruck einer Erwartungshaltung. Ich erwarte etwas von aussen, das mich in einen besseren Gefühlszustand idealerweise Glück überführt. Irgendwann kam die Erkenntnis zu mir, dass dieser Zustand mit Nichtübernahme von Verantwortung für mich selbst gleich zu setzen ist. Ich erwarte etwas von aussen, das mich zufrieden oder eben gar glücklich macht.
Diese Sehnsucht wird zur Sucht. Erfolg, Karriere, möglichst viele Followers, gut sein, Macht: verschiedene Wörter für "hinter der nächsten Kurve ist es schöner".
Gibt es etwas, das verlässlicher ist, als diese unzuverlässigen "Glücksbringer"?
Ja, das gibt es: die Zuwendung im Jetzt.
Du kannst das spüren, wenn Du feststellst, wie es Dir geht, wenn Du mit etwas beschäftigt bist, was Dir wirklich Spass macht und welches Dich alles andere vergessen lässt. Du bist in diesem Moment mit diesem Ding, Wesen, dieser Tätigkeit fest verbunden.
Man könnte daraus folgern, dass ich einfach das machen muss, was mir Spass macht. Aber kannst Du denn bereits im Vorherein wissen, ob Du daran Spass haben wirst? Nur auf Grund dessen, dass es das letzte Mal Spass gemacht hat, ist es überhaupt nicht sicher, dass es auch dieses Mal Spass macht. Daraus können wir folgern, dass es nicht das Ding oder das Wesen ist, was uns zufrieden oder glücklich macht, sondern die Verbindung.
Wenn ich mich also in meiner Langeweile befinde, dann hoffe ich nicht mehr, dass jetzt dann etwas kommt, das mich erlöst. Ich kann mit meiner Langeweile Verbindung aufnehmen. Oder mit dem, was ich gerade tue. Oder mit dem Ort, an dem ich mich gerade befinde. Ich gehe in Verbindung. Oder ich wende mich dem, was gerade ist, zu.
Diese Zuwendung war für mich eine der grössten Entdeckungen meines Lebens. Ich kann nicht sagen, was ich erfahre. Es lässt sich mit Worten nicht ausdrücken. Doch es fühlt sich so an, wie wenn es etwas ewiges wäre. Etwas Wirkliches. Vielleicht ist jede Zuwendung zu einem Du (egal welches Wesen) ein Schritt in eine "wirklichere" Wirklichkeit.
Der Zweck der Beziehung ist ihr eigenes Wesen, das ist: die Berührung des Du. Denn durch die Berührung jedes Du rührt ein Hauch des ewigen Lebens uns an.
Wer in der Beziehung steht, nimmt an einer Wirklichkeit teil, das heißt: an einem Sein, das nicht bloß an ihm und nicht bloß außer ihm ist. Alle Wirklichkeit ist ein Wirken, an dem ich teilnehme, ohne es mir eignen zu können. Wo keine Teilnahme ist, ist keine Wirklichkeit. Wo Selbstzueignung ist, ist keine Wirklichkeit.
Die Teilnahme ist um so vollkommener, je unmittelbarer die Berührung des Du ist.
Das Ich ist wirklich durch seine Teilnahme an der Wirklichkeit. Es wird um so wirklicher, je vollkommener die
Teilnahme ist.
(Martin Buber, Ich und Du)
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